Widerspruch zwischen Tierwohl und Schnäppchenjagd auflösen

Sich mit dem gesellschaftlich hoch im Kurs stehenden Tierwohllabel schmücken und direkt daneben für Schnäppchenpreise werben – „das ist perfide“, finden die Kreislandvolkverbände Wesermarsch und Friesland. Genau dies war diese Woche in der Werbebeilage des Discounters Netto passiert. Natürlich stehen die Lebensmittel-Einzelhändler in einem harten Wettbewerb und versuchten daher, sich gegenseitig mit griffigen Kampagnen über-, aber auch mit Dumpingpreisen unterbieten. Aber der Widerspruch zwischen Tierwohl und Schnäppchenjagd muss aufgelöst und den Bäuerinnen und Bauern mit höheren Erzeugerpreisen der Rücken gestärkt werden.

Auf die wirtschaftliche Lage der tierhaltenden Betriebe machen in dieser Woche auch zahlreiche Bäuerinnen und Bauern in ganz Deutschland bei den Molkereien und Schlachthöfen aufmerksam. Derzeit würden durch die Erzeugerpreise nur rund ein Drittel der Kosten gedeckt. „Das ist existenzbedrohend“, sagt Albert Schulte to Brinke, Präsident des Landvolks Niedersachsen, und fordert ein schnelles Umdenken der Marktpartner.

Mit der Initiative Tierwohl (ITW) soll eine höhere finanzielle und gesellschaftliche Wertschätzung der landwirtschaftlichen Arbeit erreicht werden. Ab 2021 soll ein fest definierter Tierwohl-Aufpreis über den Markt gezahlt werden. Der Kunde im Einzelhandel kann sich dann bewusst für ITW-Ware entscheiden. Nach derzeitiger Einschätzung wird der LEH deutlich höhere als die von ITW genannten Mindestaufschläge anbieten müssen, wenn er eine hohe Teilnahmebereitschaft insbesondere bei den Schweinehaltern erreichen will.

Für den Weg dorthin könnte auch die dreistufige staatliche Tierwohlkennzeichnung genutzt werden. In der Praxis bedeutet dies vor allem mehr Platz im Stall für die Tiere, aber auch zahlreiche weitere Kriterien sind einzuhalten. Zur Kompensation dieser erhöhten Anforderungen sollen Landwirte nach dem Vorschlag des „Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums sowohl direkte Investitionszulagen als auch eine langfristige Förderzusage von mehr als 20 Jahren für die laufenden Kosten erhalten. Der dazu benötigte Finanzbedarf für die gesamte Nutztierhaltung wird mit jährlich bis zu 3,6 Mrd. Euro bis 2040 beziffert.

Zur Gegenfinanzierung schlägt das Kompetenznetzwerk eine Tierwohlabgabe vor. Das Landvolk Niedersachsen begleitet die Diskussion aktiv. Allein die erforderliche Anpassung des Bau- und Umweltrechts wird eine massive Kraftleistung werden.