Wie kann es gelingen, in der Öffentlichkeit wieder mehr Wertschätzung für Landwirte zu erreichen und in diesem Zuge auch mehr Wertschöpfung für die Betriebe zu organisieren? Über diese Herausforderung haben sich schon viele Initiativen und Arbeitsgruppen den Kopf zerbrochen. Mit dem Projekt „Zukunfts-Bauer“ nimmt der Deutsche Bauernverband jetzt einen neuen Anlauf, um den Stillstand in der öffentlichen Debatte zu lösen.
Ausgangspunkt des Projekts war 2021 eine Studie des Marktforschungsinstituts Rheingold-Salon, das sowohl Landwirte wie auch Nicht-Landwirte über die vorherrschenden Bilder und (Vor-)Urteile über Landwirtschaft befragt hat. Das Ergebnis: Die Selbstwahrnehmung der Landwirte und die Fremdwahrnehmung ihrer Arbeit durch den Rest der Gesellschaft klaffen vollständig auseinander: Während „die Gesellschaft“ die Landwirte als Umweltzerstörer, Tierquäler, „dumme Bauern“ oder (im Fall von Bio-Landwirtschaft) als Erschaffer einer Bullerbü-Idylle wahrnimmt, sehen Landwirte sich selbst als Ernährer der Nation, ackernde Manager, leidenschaftliche Naturburschen oder familiäre Traditionsbewahrer. Weil diese Bilder so gar keine Schnittmengen haben, hat sich eine regerechte „Parallelgesellschaft“ zwischen Landwirten und Nicht-Landwirten entwickelt.
Aus dieser Sprachlosigkeit heraus habe sich ein System der Anschuldigungen und gegenseitigen Vorwürfe entwickelt, heißt es in der Studie: „Die Gesellschaft“ fordert von Landwirten mehr Tierwohl, Umwelt-, Arten- und Klimaschutz. Aber wenn es darum geht, einen höheren Preis für Produkte mit höheren Produktionsstandards zu zahlen, greifen die Kunden im Supermarkt doch lieber zur günstigen Alternative, die womöglich auch noch aus dem Ausland kommt. Die Landwirte kritisieren dieses Verhalten – zu Recht – und beschuldigen wiederum die Verbraucher und Politik der Ahnungslosigkeit. Sie fordern Verbraucher auf, zunächst ihren Konsum umzustellen, sowie die Politik, sich an den Anforderungen der Praxis auszurichten.
Bei diesem Schwarze-Peter-Spiel kann jeder die Schuld an einen anderen weitergeben und muss sich nicht selbst verändern. Für die landwirtschaftlichen Betriebe ist dieses System jedoch existenzbedrohend, da es den Kostendruck weiter erhöht und kaum Möglichkeiten für eine nachhaltige Betriebsentwicklung bietet. Und auch die Umwelt leidet unter diesem System, weil die eigentliche Verantwortung für Schäden immer weitergegeben wird.
Um diese Sprachlosigkeit zu überwinden, schlägt die Rheingold-Studie vor, bewusst neue Bilder der Landwirtschaft zu prägen und neue Geschichten zu erzählen, an die sowohl Nicht-Landwirte wie auch Landwirte anknüpfen können. Unter mehreren Alternativen hat sich das Bild des „Zukunfts-Bauers“ durchgesetzt – Landwirtinnen und Landwirte, die weiterhin Nahrungsmittel erzeugen, dies jedoch mit der Lösung aktueller Probleme verbinden. Beispiel Klimaschutz: Hier kann die Landwirtschaft Zukunftslösungen in Gestalt von Agri-PV oder güllebasierten Biogasanlagen anbieten, bei denen sowohl Energie wie auch Nahrungsmittel produziert werden.
Das Landvolk Niedersachsen startet in diesen Tagen eine eigene Kampagnen-Website zum Projekt – www.zukunftsbauer-niedersachsen.de. Dort wird ein Film das Anliegen des „Zukunfts-Bauers“ noch einmal erklären. Daneben kommen Zukunfts-Bauer aus allen Kreisverbänden in kurzen Videos zu Wort. Deutlich wird: Ab jetzt muss nicht plötzlich alles anders gemacht werden, sondern es sollte sich vor allem unser Blick auf die eigene Branche verändern. Viele Landwirtinnen und Landwirte in Niedersachsen haben sich längst auf den Weg gemacht und innovative Antworten entwickelt, wie sich die Zukunft der Landwirtschaft mit neuem Denken und neuen wirtschaftlichen Aktivitäten gestalten lässt.
Auch in anderen Bundesländern gibt es bereits erste Aktionen, die der Deutsche Bauernverband auf der Seite www.bauernverband.de/themendossiers/zukunftsbauern sammelt. Das Projekt ist auf mehrere Jahre hinaus angelegt.